Auch für Männer: Deutsches Institut für Menschenrechte (DIMR) definiert häusliche Gewalt in den Daten zur Istanbul-Konvention
18. September 2023
Die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz (BFKM) befürwortet die jetzt dargelegte Definition und Begrifflichkeit, auch im Hinblick auf die jüngsten Guidelines des Europarates. Begrüßenswert ist zudem die striktere begriffliche Anführung und die Trennung der Begriffe geschlechtsspezifische Gewalt und häusliche Gewalt.
Am 31. August 2023 publizierte das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) erstmalig einen Bericht zur aktuellen Datenlage bezüglich geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen sowie häuslicher Gewalt. Gemäß Art. 11 der Istanbul-Konvention (IK) ist Deutschland zur umfassenden und regelmäßigen Bereitstellung dieser Daten verpflichtet. Die DIMR-Berichterstattungsstelle hat die aktuellen Daten analysiert. Diese Analyse ist die Voraussetzung zur systematischen Aufbereitung der Daten. Sie ist zukünftig die zentrale Grundlage für ein Monitoring der Umsetzung der IK in Deutschland.
Die BFKM nahm bereits Mitte April 2023 Stellung, seinerzeit zum Entwurf des DIMR-Datenberichts. Die BFKM regte insbesondere die adäquate Berücksichtigung des Geltungsbereichs der Istanbul-Konvention für von häuslicher Gewalt betroffene Männer an.
Die BFKM befürwortet die in der Endfassung des Datenberichts auf Seite 15 angelegte Definitions- und Begriffsdarstellung. Darin heißt es zum Begriff „Häusliche Gewalt“: „[…] Im Bereich häusliche Gewalt ermutigt die Istanbul-Konvention die Vertragsstaaten, auch von Gewalt betroffene Männer in den Anwendungsbereich der Konvention einzubeziehen. Wenn es im vorliegenden Bericht um häusliche Gewalt geht, werden immer auch Daten und Forschungsstudien vorgestellt, die Männer erfassen.“ Vor diesem Hintergrund begrüßen wir auch die nunmehr striktere begriffliche Anführung und die Trennung der Begriffe geschlechtsspezifische Gewalt und häusliche Gewalt.
Durch die Berücksichtigung von männlichen* Opfern von häuslicher Gewalt im Datenbericht kommt die Bundesrepublik Deutschland ihren völkerrechtlichen soft law-Vereinbarungen im Bereich Datensammlung und Forschung gem. Artikel 11 IK aus Sicht der BFKM nach.
Die Erstreckung des Soft law-Geltungsbereichs der Istanbul-Konvention auf männliche* Betroffene von häuslicher Gewalt ist auch mit Blick auf die jüngst erschienenen „Guidelines zur Stellung von Männern und Jungen in der Gleichstellungspolitik und in der Politik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ des Europarats angezeigt.
Die BFKM befürwortet auch, dass die BFKM als Datenzulieferungsakteurin angeführt wird. Mit unserer jährlich erscheinenden Nutzerstatistik der Männergewaltschutzeinrichtungen (MSE) können die angeforderten statistischen Angaben geliefert werden.
Im Übrigen bescheinigt der Bericht auf der einen Seite das Vorhandensein umfangreicher Daten, z.B. der Polizeilichen Kriminalstatistik, die ein Monitoring hinsichtlich der Umsetzung der IK ermöglichen. Auf der anderen Seite werden zentrale Lücken bei der Verfügbarkeit, Verwendbarkeit und Vergleichbarkeit vorhandener Daten sichtbar. So liegen z.B. derzeit keine Daten zu häuslicher Gewalt und Sorge- und Umgangsregelungen vor. Und auch zu weiteren Themen der IK fehlen einheitliche Definitionen relevanter Begrifflichkeiten, so dass die Daten der einzelnen Bundeländern nur schwer oder gar nicht miteinander vergleichbar sind. Den daraus folgenden DIMR-Empfehlungen, u.a. zur breiten Nutzbarmachung vorhandener Daten des Bundes und der Länder oder zur Durchführung regelmäßiger Dunkelfeldstudien und Begleitforschung, kann die BFKM nur beipflichten.
Wir hoffen umso mehr, dass von häuslicher Gewalt betroffene Jungen* und Männer* zukünftig als Gruppe mit besonderen Bedarfen anerkannt und besser sichtbar werden (vgl. S. 71).
Männern* fällt es u.a. auf Grund vorherrschender Vorstellungen von Männlichkeit* besonders schwer, sich beim Erleben häuslicher Gewalt Schutz und Unterstützung zu suchen. Weiterhin sind die Schutz- und Unterstützungsmöglichkeiten für betroffene Männer* in den Bundesländern sehr verschieden ausgeprägt. Scham, fehlende Sichtbarkeit männlicher* Betroffenheit und fehlende Unterstützungsangebote stellen daher ernstzunehmende Hindernisse für betroffene Männer da.
Zudem gibt es natürlich auch innerhalb männlicher* Betroffenengruppen häuslicher Gewalt besonders vulnerable Gruppen (z.B. Behindern, Suchterkrankung, psychische Erkrankung, ungeklärter Aufenthaltsstatus, etc.), die es zu berücksichtigen gilt. Es bleibt zu hoffen, dass diese männer*spezifischen Bedarfe auch durch das zukünftige Monitoring des DIMR mehr und mehr sichtbar werden.
* Wie wir gendern