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Das Projekt A4 und die BFKM begrüßen das Vorhaben, künftig mehr Gewaltschutzwohnplätze in Thüringen zu fördern

10. Juli 2023

Welche Auswirkungen hätte ein solches Gesetz für die Praxis? Reicht eine Schutzwohnung für ein ganzes Bundesland? Welche gesetzlichen Rechte und welche Verpflichtungen werden berührt? Wir ordnen den Gesetzentwurf ein.

Mehr Beratung und ein dichteres Netz an Schutzhausplätzen – das sieht ein Gesetzentwurf vor, den die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen für Thüringen erarbeitet und öffentlich gemacht haben. Wird der Entwurf zum Gesetz, müssten ab 2026 jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt in Thüringen eine Schutzwohnung oder mindestens fünf Plätze für von häuslicher Gewalt bedrohte Frauen vorhalten.

Und auch eine Schutzwohnung für Männer und nicht weibliche Personen ist entsprechend § 6 Abs. 6 des Gesetzesentwurfs vorgesehen. “Ein guter Schritt in die richtige Richtung” sagt dazu Constance Kühn von der Thüringer Fachberatungstelle für männliche Betroffene von häuslicher Gewalt und Stalking in Thüringen (PROJEKT A4). “Zumindest wird mit dem Gesetzentwurf anerkannt, dass es diese Lücke im Hilfesystem gibt.”

Grundsätzlich begrüßt auch die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz (BFKM) den Gesetzentwurf und die geplante Vorhaltepflicht einer Schutzwohnung auch für Männer in Thüringen. Ob der bestehende Bedarf mit den üblicherweise drei bis fünf Plätzen in der Wohnung gedeckt werden könnte, ist mit Hinblick auf die Betroffenenzahlen fraglich. Nach Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik Thüringen 2019 waren 24,6 % der von häuslicher Gewalt betroffenen Personen Männer* (592 männliche* Erwachsene, 1.810* weibliche Erwachsene).

Und auch Constanze Kühn teilt solche Bedenken. Es sei aus Sicht der Praxis zudem “nicht zumutbar für einen von häuslicher Gewalt betroffenen Mann, durch das halbe Bundesland zu fahren, gegebenfalls mit einem Kind, um in der Männerschutzwohnung unterzukommen.”

Constanze Kühn, Leiterin der A4 Männerberatung Thüringen
Constance Kühn, Sprecherin “PROJEKT A4 – Männerberatung in Thüringen”

Auch Clemens Göhler, Fachreferent für Grundsatzfragen der BFKM, sieht den Entwurf für Thüringen grundsätzlich positiv. Das Gesetzesvorhaben sei aus verfassungsrechtlicher Perspektive zu begrüßen, so der Jurist. Durch die anvisierte gesetzliche Etablierung eines geschlechtsneutral ausgestalteten Schutzanspruchs für von häuslicher Gewalt betroffene Personen in § 4 des Gesetzesentwurfs, werden die Schutzpflicht des Staates auf Gewährung des Rechts auf Leben und der körperlichen Unversehrtheit sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß der Verfassung des Freistaates und des Grundgesetzes gewahrt.

Positiv hervorzuheben sei zudem die Definition des Rechtsbegriffs der häuslichen Gewalt im Text im Sinne der Istanbul-Konvention, wonach neben den Formen der physischen und sexualisierten auch die psychische und ökonomische Gewalt im sozialen Nahraum umfasst sein soll. Mit einer solchen Erfassung werden zudem mehr von häuslicher Gewalt betroffene Personen sichtbar, wie die BFKM in einer separaten Analyse Anfang Juni festgestellt hat.

Clemens Göhler, Fachreferent für Grundsatzfragen bei der BFKM

Mehr noch, so Clemens Göhler, ergibt sich aus der Bewertung mit Blick auf die Istanbul-Konvention. “Durch die gesetzliche Verankerung kommt Thüringen zudem seiner gemäß Artikel 23 in Verbindung mit Artikel 2 (2) der Istanbul-Konvention bestehenden Soft law-Vereinbarung nach: das Land würde damit den grundsätzlich von der Bunderegierung zuerkannten, großen Durchführungsspielraum im Bereich der Etablierung von Männergewaltschutzeinrichtungen zutreffend ausfüllen. Und dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der bestehenden Bedarfe in diesem Bereich wichtig und geboten”, erläutert Clemens Göhler.

Wenn das Gesetz so kommt, wird Rot-Rot-Grün in Thüringen auch die Finanzierung des Hilfesystems neu strukturieren, d.h. der Freistaat würde dann die Förderung komplett übernehmen. Bisher zahlt das Land den Kommunen Geld für die Schutzeinrichtungen, die aber jeweils noch etwas dazugeben. Auch Kinder sollen entsprechend dem Gesetzentwurf bei den Planungen stärker bedacht werden, in “Familienplätzen”. Ein Familienplatz entspräche dann einem Frauenplatz mit zusätzlich 1,5 Plätzen für Kinder.

PS: Unter anderem um das Thema Väter und Kinder in Schutzwohnungen dreht es sich bei der Jahresfachtagung der BFKM am 25. und 26. September in Erfurt. Herzliche Einladung!


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