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Pressemitteilung: Kein Handlungsbedarf für gewaltbetroffene Jungen* und Männer*?

17. Oktober 2022

Die Bundesregierung sollte deren Bedürfnisse bei der weiteren Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland besser berücksichtigen

Betroffene Jungen* und Männer* sollten bei einer Gewaltschutzstrategie der Bundesregierung berücksichtigt werden.

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Am 07. Oktober 2022 veröffentlichte das Expert*innengremium GREVIO des Europarats seinen Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention (IK) in Deutschland[i]. Das 2011 in Istanbul entstandene internationale Abkommen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* und häuslicher Gewalt ist seit 2018 in Deutschland rechtsverbindlich. Die unabhängige Expert*innenkommission GREVIO lobt im Bericht zahlreiche Maßnahmen (u.a. das Gewaltschutzgesetz, das nationale Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, die Reform des Sexualstrafrechts, etc.), die zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* und häuslicher Gewalt ergriffen werden.

Zugleich werden gravierende Mängel beim Schutz von Frauen* vor geschlechtsspezifischer Gewalt benannt. So fehlen u. a. weiterhin eine Koordinierungsstelle auf Ebene des Bundes und eine langfristige, bundesweite Strategie zur Umsetzung der IK. Mit dem weiteren Ausbau von Frauen*haus- und Beratungsplätzen müssen bisher akut unterversorgte Regionen gestärkt werden. Auch beim Schutz von besonders vulnerablen Gruppen (z. B. Frauen* mit Behinderungen, geflüchtete Frauen*, queere Menschen) bescheinigt die Kommission Deutschland erhebliche Defizite in der Umsetzung.

Die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz (BFKM) begrüßt und unterstützt ausdrücklich die Bemühungen, Frauen* und Mädchen* vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen, v. a. ausgeübt durch Männer*. Als geschlechtersensibles Gewaltschutzprojekt setzen wir uns jedoch ebenso dafür ein, dass Jungen* und Männer* – genauso wie Frauen*, Mädchen* und queere Menschen – ein gewaltfreies Leben führen können.

In der IK wird ausdrücklich empfohlen, dass auch Jungen* und Männer* als Opfer häuslicher Gewalt mit beachtet werden. Männer* erleben oft schwere Formen körperlicher Gewalt, vor allem im öffentlichen Raum durch jüngere Männer*, und ebenso können sie von Gewalt im sozialen Nahraum betroffen sein. Wir halten die gesellschaftliche Sichtbarkeit und die Anerkennung männlicher* Verletzlichkeit und Gewaltbetroffenheit für wesentlich, damit sich tradierte Rollen- und Verhaltensmuster von Jungen* und Männern* ändern können. Die Aufarbeitung eigenen Gewalterlebens und das Anerkennen eigener Verletzlichkeit ist ein wichtiges Puzzleteil zur Verhinderung zukünftiger Gewalt. Deshalb muss es für die Bundesregierung auch Pflichtaufgabe sein, sich für die Prävention von häuslicher Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum gegen Männer* einzusetzen.

Unterstützungsangebote finden gewaltbetroffene Jungen* und Männer* deutschlandweit bisher zu selten. Unser Bericht „Männer*gewaltschutz und die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland“[ii], der einige Lücken im Männer*gewaltschutz offen legt, wurde von GREVIO nicht zur Verfassung des vorliegenden Evaluationsberichts hinzugezogen.

Die BFKM begrüßt, dass die Bundesregierung in ihrer Reaktion auf den Evaluationsbericht[iii] Unterstützungsangebote für männliche* Gewaltopfer als wesentlichen Teil einer bundesweiten Strategie zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt ansieht. Auch wir sehen die Notwendigkeit einer auf Bundesebene angesiedelten Koordinierungsstelle zur Erarbeitung einer nationalen Strategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention – es ist jedoch wichtig, dabei die Bedürfnisse gewaltbetroffener Jungen* und Männer* einfließen zu lassen.

Hierfür braucht es zudem eine bessere Datengrundlage. Daher unterstützt die BFKM die GREVIO-Forderung nach einer umfassenderen Erhebung und Analyse der Daten von Strafverfolgungsbehörden, Justizbehörden, Gesundheits- und Sozialdienste.

Wir plädieren – parallel zum Ausbau des Hilfesystems für gewaltbetroffene Mädchen* und Frauen* – ausdrücklich für den Auf- und Ausbau angemessener Angebote für gewaltbetroffene Jungen* und Männer*, unter Berücksichtigung der geschlechtlichen Disparität bei Gewaltbetroffenheit. Dafür ist eine rechtlich bindende Grundlage zum Aufbau von Schutz- und Unterstützungsangeboten für gewaltbetroffene Jungen* und Männer* erforderlich.

 

Für Fragen stehen zur Verfügung:

Dr.in Anne-Marie Gallrein, Fachreferentin Onlineberatung und -kommunikation

Erna-Berger-Str. 17, 01097 Dresden

Tel.: 0351-27566887, Funk: 0176-63260831

Mail: anne.gallrein@maennergewaltschutz.de

 

Enrico Damme, Fachreferent Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Erna-Berger-Str. 17, 01097 Dresden

Tel.: 0351-27566887, Funk: 0176-63260831

Mail: enrico.damme@maennergewaltschutz.de

 

[i] zur Kurzversion des Berichtes: https://rm.coe.int/executive-summary-grevio-germany-in-german/1680a8693a

zur Langversion des Berichts: https://rm.coe.int/report-on-germany-for-publication/1680a86937

[ii] https://www.maennergewaltschutz.de/mitteilungen-netzwerkpartnerinnen/bestandsaufnahme-istanbul-konvention-maenner/

[iii] Stellungnahme der Bundesregierung: https://rm.coe.int/germany-comments-to-the-grevio-report/1680a86939

 

* Wir respektieren sexuelle und geschlechtliche Vielfalt.

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